Nazaré ist eigentlich ein Fischerdorf. Mit weißen Häuser, Fischrestaurants, bunten Booten, die im Hafen schaukeln, einer auf einer Klippe gelegenen Festung – und einer Monsterwelle. Diese bildet sich regelmäßig zwischen Oktober und März. Grund ist eine Meeresschlucht mit einer Tiefe von bis zu 5.000 Meter, die eben genau vor Nazaré endet. Wenn alles zusammenpasst, also die Dünung vom Meer her fest anschiebt – der sogenannte Swell – dann sind Wellen mit bis zu 30 Meter Höhe möglich. Der erste, der sich einen Ritt auf einer dieser Wellen zugetraut hat, war der US-Amerikaner Garrett McNamara im Jahr 2011. 23 Meter maß die gesurfte Welle und machte Nazaré schlagartig berühmt.
Zitat: Heute ist Garrett McNamara die bekannteste Persönlichkeit in der Stadt. Wer mit ihm auch nur kurz durch die Straßen spaziert, bekommt schnell mit, dass er andauernd angesprochen wird – speziell von älteren Damen. Kein Zweifel: Er ist derjenige, der Nazaré bekannt gemacht hat.
Matt Majendie begleitete für dieses Buch eine ganze Saison lang fünf Profis, beobachtete sie, führte lange Gespräche, erspürte die Faszination, die diese Menschen immer wieder dazu bringt, sich der Gefahr der Monsterwelle auszusetzen. Aber er erzählt auch von denen, die hinter den Kulissen arbeiten und für die Sicherheit der Surferinnen und Surfer sorgen.
Der Höhen-Weltrekord liegt derzeit bei 26,21 Meter, gehalten vom Deutschen Sebastian Steudtner. Vor kurzem ist ihm sogar eine knapp 28 Meter hohe Welle gelungen – dieses Ergebnis muss aber noch offiziell anerkannt werden. Steudtner gilt als der Tüftler unter den Surfern. Er testet sein Material im Windkanal des Porsche-Entwicklungszentrums im deutschen Weissach nahe Stuttgart.
Zitat: Der deutsche Automobilhersteller stellt seine modernste, über Jahrzehnte weiterentwickelte Technik zur Verfügung, um an der Aerodynamik von Körperhaltung, Board und Neoprenanzug des Surfers zu feilen. Die gewonnenen Daten werden durch die hauseigenen Experten akribisch ausgewertet, denn schon durch kleinste Positionsänderungen auf dem Board kann Steudtner die Aerodynamik deutlich verbessern.
Deutsche Gründlichkeit auch beim Big Wave Surfen. Im Bildteil in der Mitte des Buches ist Steudtner bei diesen Experimenten zu sehen. Andere Fotografien zeigen die atemberaubende Schönheit der Welle von Nazaré.
Das Städtchen selbst hat sich durch die Big-Wave-Surfszene freilich verändert. Wenn Wellen angesagt sind, reisen aus dem ganzen Land Menschen an, um sich das Spektakel einmal aus der Nähe anzusehen. Einige Surferinnen und Surfer haben ihren Lebensmittelpunkt hierher verlegt. Zum Beispiel die brasilianische Surferin Maya Gabeira. Sie ist eine der wenigen Frauen, die sich auf den höchsten Wellen der Welt mit Männern messen. In Nazaré ist sie vor rund zehn Jahren schon einmal dem Tod von der Schippe gesprungen, so lautet auch der Titel des entsprechenden Kapitels.
Zitat: Sie wurde dermaßen schnell aus der Bahn geworfen, dass auf den Aufnahmen kaum zu erkennen ist, was genau in diesem Augenblick passiert. Beim Aufprall auf dem Wasser brach sie sich sofort das Fußgelenk – eine Verletzung, die erst bemerkt wurde, als sie im Verlauf des Tages in ein zweites Krankenhaus eingeliefert wurde; so gravierend war die andere Verletzung, die sie davontrug, als sie mit dem Gesicht voran ins Wasser gerammt wurde und die Welle über ihrem Kopf zusammenstürzte.
Fast unnötig zu sagen, dass sie sich bald danach wieder von einem Jetski auf die Welle ziehen ließ.
Als das Buch geplant wurde, gab es in Nazaré noch keinen einzigen toten Wellenreiter. Alle waren darauf sehr stolz. Die Sicherheitsmaßnahmen hatten immer funktioniert. Doch im November 2023 geschah das, was viele zwar irgendwann erwartet, aber doch immer wieder verdrängt hatten: Der 47-jährige brasilianische Surfer Marcio Freire ertrank am Strand von Nazaré. Autor Matt Majendie verfasste also rasch vor Drucklegung eine Vorbemerkung, leider finden sich auf den wenigen Seiten einige fast peinliche grammatikalische Fehler, mehr Sorgfalt im Lektorat wäre wünschenswert gewesen.
Matt Majendie spricht die Sprache eines Sportreporters, da muss man sich einfach darauf einlassen. Denn die Geschichten, die der Autor hier aufgeschrieben hat, sind allesamt spannend, sehr persönlich und geben unerwartete Einblicke ins Leben der Big Wave Surferinnen und Surfer.