Über Geld spricht man.

„Über Geld spricht man nicht, man hat es“, sagte einst der amerikanische Ölindustrielle und Milliardär Jean Paul Getty. Natürlich ist es schön, wenn man Geld hat, mit dem ersten Teil der Aussage stimmt die deutsche Unternehmensberaterin und Betriebswirtschaftlerin Henrike von Platen aber nicht überein. Über Geld spricht man heißt daher ihr Buch, in dem sie sich mit dem Problem der Lohnschere zwischen Männern und Frauen beschäftigt. Untertitel Der schnelle Weg zur Gleichstellung. Noch immer verdienen Frauen überall auf der Welt weniger als Männer – für die gleiche Arbeit. Warum das so ist und welche Möglichkeiten es gibt, Lohngerechtigkeit und Chancengleichheit herzustellen, hat die Autorin auf knapp 160 informativen Seiten zusammengefasst.

Dezent ist an diesem Buch nur der Schutzumschlag, gedecktes Blau, weiße Schrift. Doch wer ihn entfernt, hält ein Buch in Signalfarbe in Händen – leuchtend orange wie eine Alarmlampe. Und das Thema braucht Aufmerksamkeit, geht es doch um unfaire Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Darüber spricht man nicht gern, beim Geld hört sich für viele die Freundschaft auf, und der eigene Kontostand geht niemanden etwas an.
Zitat: Es ist erstaunlich, wie viele Namen es für eine Sache gibt, über die wir so ungern sprechen: Kies, Knatter, Knete, Kohle, Kröten, Lappen, Mäuse, Moneten, Moos, Penunsen, Pinkepinke, Schotter, Tacken, Zaster.
In Österreich ließe sich die Liste noch um Knedl, Flieder, Diridari und Gerstl erweitern. Doch so heiter ist das Thema nicht, mit dem sich die Autorin hier auseinandersetzt. Denn viele Frauen arbeiten – aufgrund vieler Umstände wie Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen – in Teilzeit. Und bekommen für die geleistete Arbeit dann auch noch weniger gezahlt als ihre männlichen Kollegen.
Zitat: In Deutschland stagniert die Lohnlücke seit einigen Jahren bei 21 Prozent. Im letzten Jahr hat sie sich um nur zwei Prozentpunkte geschlossen. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, dauert es – je nach Berechnung – noch ungefähr hundert Jahre, bis die Lohnlücke beseitigt ist, und mehrere hundert Jahre bis zur vollständigen Gleichstellung von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt.
Österreich liegt laut Statistik Austria mit knapp 20 Prozent nur wenig unter dem deutschen Wert, allerdings genauso wie das Nachbarland über dem europäischen Durchschnitt von 16 Prozent. Die Lücke zwischen den Gehältern ist jedoch nicht überall gleich groß.
Zitat: Generell gilt: Wo es wenig zu verteilen gibt, geht es gerechter zu. Im Niedriglohnsektor etwa oder in sozialen Berufen verdienen alle gleich wenig, die Unterschiede zwischen dem Verdienst von Männern und Frauen sind oft gering.
Doch das ändert sich schnell je höher die Gehälter werden. In Verhandlungen haben Frauen oft das Nachsehen und so sind es vor allem die Verträge der mittleren Managementebene in der Privatwirtschaft, in denen es die größten Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt.
Zitat: Wer Karriere macht, ist meistens männlich. In politischen Ämtern und in den Spitzenpositionen der Wirtschaft finden sich nach wie vor überwiegend weiße, mittelalte Kerle. Frauen hingegen scheinen dort so rar wie umgekehrt Väter auf Elternabenden oder am Küchenbüffet in der Volksschulaula, wenn die neuen ersten Klassen eingeschult werden.

Recht plakativ erläutert die Autorin die Sachlage, in angenehm knappen Kapiteln werden nach der Bestandsaufnahme viele spannende Fragestellungen abgehandelt, etwa, ob Frauen an ihrer Misere selbst schuld sind oder wie man aus Schubladendenken und überholten Rollenbildern ausbrechen kann. Fundiert, informativ und leicht zu lesen, mit vielen Beispielen aus der Praxis und Vergleichen mit anderen Ländern.
Zitat: In Finnland beispielsweise kennen vier von fünf Berufstätigen die Gehälter der Kollegenschaft. In Schweden und Norwegen sind auf Nachfrage beim Finanzamt die Steuererklärungen aller für alle einsehbar. In den USA wird ganz offen über die Gehalthöhe gesprochen. Die Frage „Was verdienst du eigentlich?“ birgt keine Indiskretion, sondern dient ebenso als Small-Talk-tauglicher Gesprächseinstieg wie der eigenen Orientierung.

Schluss mit der Geheimhaltung, weg mit der Diskretion. Das Zauberwort heißt Transparenz, ist Henrike von Platen überzeugt. Nur wenn sowohl Wirtschaft und Politik als auch die Arbeitnehmerinnen selbst ganz offen über Geld sprechen, ändert sich nicht nur das Arbeitsklima. Wenn alle nach den gleichen Regeln spielen, gibt es weniger Verstöße und mehr Harmonie.
Zitat: Entgeldgleichheit ist ein lohnenswertes Unterfangen. Zahlreiche Studien und Prognosen zeigen: Wo für Transparenz gesorgt wird, wird die Bezahlung gerechter, und wo gerechter bezahlt wird, partizipieren mehr Frauen am Arbeitsmarkt – mit positiven Folgen für die Wirtschaft.
Es wäre so einfach. Würden sich alle Unternehmen an Henrike von Platens Checkliste am Ende des Buches halten, wäre es auch nicht mehr notwendig, auf den Equal Pay Day aufmerksam zu machen. Das ist jener Tag, bis zu dem Frauen sozusagen gratis arbeiten, erst danach verdienen sie gleich viel wie ihre männlichen Kollegen. Heuer fällt der Equal Pay Day übrigens auf den 25. Februar. Statistisch gesehen haben dann Österreichs Frauen 56 Tage lang gratis gearbeitet.

Info:  Über Geld spricht man. Der schnelle Weg zur Gleichstellung von Henrike von Platen (National Publishing & Intelligence GmbH, Berlin 2020)