Americanic.

Einer, der die Situation in den USA seit Jahren beobachtet, ist der Journalist und Historiker Thomas Frank. Er analysiert Veränderungen in der amerikanischen Gesellschaft genauso wie die jüngsten Entwicklungen in der US-Politik. Der deutsche Verlag Antje Kunstmann hat nun einige seiner Artikel, die zwischen 2008 und 2018 in Zeitschriften wie Harper´s, Wall Streeet Journal oder dem von Frank mitgegründeten Baffler erschienen sind, in einem spannenden Band zusammengefasst, der kommende Woche erscheinen wird. Der Titel: Americanic – Berichte aus einer sinkenden Gesellschaft.

Thomas Frank kennt sein Land. Er kennt die schmutzigen Vorgänge rund um Wahlen, er kennt die Schreibstuben des Landes mit ihren Gepflogenheiten, er kennt Popkultur und Wirtschaft. In seinen Bestsellern und Kommentaren legt er den Finger in frische Wunden und rührt darin auch noch genussvoll um. Er analysiert den Enron-Skandal genauso wie Fernsehserien wie Mad Man und House of Cards. Lieblingsfigur des Autors ist aber eindeutig der amtierende US-Präsident Donald Trump, dessen Werdegang er genauestens und recht spöttisch beobachtet.

Zitat: Der Mann ist ein schriller Provokateur und politischer Clown, er scheint es geradezu darauf anzulegen, systematisch sämtliche ethnischen Minderheiten der amerikanischen Gesellschaft gegen sich aufzubringen. […] Dafür ist diesem protzigen Schreihals der frenetische Applaus führender Rassisten aller Schattierungen sicher, die bei der Aussicht, einen waschechten, ressentimentgeladenen Ignoranten ins Weiße Haus zu bekommen, vor Aufregung ganz aus dem Häuschen geraten.

Frank nennt Trump einen Scharlatan, einen Schurken mit einer absurden Frisur, einen lächerlichen Kerl, einen Hanswurst, der Schande über sein Amt bringt, ausländische Regierungen brüskiert und keinen blassen Schimmer davon hat, wie man regiert. Doch hat Trump vielleicht auch sein Gutes? Schließlich haben ihn doch Millionen Menschen gewählt. Des Autors Schlussfolgerung ist eindeutig.

Zitat: Machen wir uns nichts vor. Wir werden gar nichts gewinnen. Was sich am Wahltag ereignete, ist eine Katastrophe, sowohl für die Liberalen in den USA wie für die Welt.

In Thomas Franks Texten geht es um Ausbeutung und Korruption genauso wie um Heuchelei und Populismus. Es ist ein düsteres Bild, das er zeichnet. Etwa, wenn es um den Niedergang der Demokraten geht. Was ist schiefgegangen, fragt Thomas Frank. Und gibt sich gleich selbst die Antwort: So ziemlich alles. Das zeigte sich auch in der Kür von Hillary Clinton zur Präsidentschaftskandidatin.

Zitat: Sie zur Kandidatin zu küren bedeutete entweder, dass die Demokraten es nicht ernst meinten, wenn sie Trump als Gefahr darstellten, oder dass ihnen ihr Opportunismus über das Wohlergehen des Landes ging, vielleicht auch beides.

Die bürgerliche Demokratie zerfällt, die Menschen geraten zusehends in prekäre Arbeitsverhältnisse, Rassismus, Populismus und Nationalismus werden salonfähig. Und Thomas Frank blickt besorgt nach Europa, wo ähnliche Tendenzen zu beobachten sind. Der Brexit etwa, der einige wenige Gewinner und ganz viele Verlierer hervorbringen wird. Frank besucht für seine Reportagen viele kleinere Städte und Ortschaften in Großbritannien, wie Grimsby oder Wakefield.

Zitat: Die Menschen werden über diese von Zechen vernarbte Landschaft von Yorkshire schauen, die Denkmäler des ersten Weltkriegs, die Reihen verfallener Reihenhäuser, und feststellen, dass sich die Leute, die sie aus weiter Ferne regieren, keinen Deut um sie scheren.

Spannend und erhellend sind auch die Artikel zum Verhältnis Trumps zur US-amerikanischen Presse. Die, so formuliert es der Autor, gerade eine schlimme Zeit erlebt und zugleich eine ihrer besten. Thomas Frank schreibt über die Rolle der Medien im Wahlkampf, den Umgang mit Fake News, den Versuch, die tagtäglichen Aussagen des Präsidenten für die jeweilige Leserschaft aufzuarbeiten.

Zitat: Dank Facebook und Twitter lesen wir heutzutage nur noch, was unsere vorgefasste Meinung bestätigt. Es gab einmal eine Zeit, da konnte ein Blatt wie die Washington Post unter Umständen auch im Alleingang einen Präsidenten zu Fall bringen, aber das ist lange, lange her.

Es ist Franks scharfer Blick fürs Detail, sein brennendes Interesse am Fortbestand der Menschheit, sein Sarkasmus und sein Witz, die uns davon abhalten, das Buch an der einen oder anderen Stelle deprimiert zuzuklappen und stattdessen einen rosaroten Rosamunde-Pilcher-Roman zur Hand zu nehmen. In einem Artikel vom Juli 2018 kündigt Frank an, eine Auszeit zu nehmen und stellt Vermutungen an, wie es in der amerikanischen Politik weitergehen wird. Einer seiner Wünsche hat sich bereits erfüllt, die Demokraten haben im US-Repräsentantenhaus wieder die Mehrheit. Vielleicht der Anfang vom Ende Donald Trumps und ein Hoffnungsschimmer für die US-Gesellschaft. Und nicht nur für die.


Info: Thomas Frank Americanic – Berichte aus einer sinkenden Gesellschaft (Übersetzt von Gabriele Gockel und Thomas Wollermann, Verlag Antje Kunstmann 2019)