
Der Portugiese Aristides de Sousa Mendes
rettete im Jahr 1940 Tausende NS-Flüchtlinge. Als Generalkonsul von Bordeaux in
Frankreich setzte er sich über den Befehl des portugiesischen Diktators António
de Oliveira Salazar hinweg und stellte den Menschen Visa für Portugal aus. Für
seinen Ungehorsam wurde er hart bestraft: seine Familie wurde in Portugal
geächtet, Aristides de Sousa Mendes starb in Armut. Wer war dieser Mensch und
warum handelte er so?
Die Reise in die Vergangenheit beginnt
in Portugal, in Cabanas de Viriato, einem kleinen Ort irgendwo zwischen der Universitätsstadt
Coimbra und der Hafenstadt Porto im Norden des Landes. Am Gartentor erwartet mich Luis Fidalgo von der Sousa Mendes Stiftung. Das Anwesen der Familie Sousa Mendes liegt malerisch
zwischen sanften Hügeln mit üppiger Vegetation, Feldern und Äckern. Das Haus namens Casa do Passal ist ein breites
einstöckiges Haus mit hohem Dach. Ein Kreuz an der Straßenecke und eine Christusstatue
im Garten weisen auf die katholische Gesinnung der ehemaligen Bewohner hin, der
weithin sichtbare Wetterhahn am Dach dreht sich im lebhaften Wind. Früher mag
es herrschaftlich gewesen sein, heute ist das Haus verfallen, das Dach ist
eingesunken, überall Glasscherben, kaum eine Tür ist intakt, die geschwungene
Stiege in den ersten Stock in Trümmern, im Innenraum nur Schutt.
In der Küche gibt es noch den alten Ofen, in dem für
die vierzehnköpfige Familie Brot gebacken wurde. Und Luis Fidalgo findet im
Schutt noch etwas anderes:
"Das
ist eine Tonvase, die war Teil der Fassade. Wir müssen aufpassen, dass diese
Dinge nicht verschwinden. Ich verstecke sie hier hinterm Ofen, dann geht sie
nicht verloren."
60 Jahre nach dem Tod des Hausherrn Aristides de
Sousa Mendes haben Bauarbeiten begonnen. Das Haus soll eine Art Museum werden,
ein Ort für die Erinnerung und gegen das Vergessen, erzählt Luis Fidalgo:
"Nach
so vielen Jahren - wir planen die Renovierung schon ewig - ist es endlich
soweit. Als ich hier den ersten Kran gesehen habe, war ich so glücklich.
Wahnsinn! Endlich! Ich war doch noch jung gewesen, als wir begannen, uns mit
dem Haus zu beschäftigen, und heute bin ich 56 Jahre alt. Noch ist nicht viel passiert,
aber besser spät als nie, nicht wahr? Ganz langsam geht hier endlich etwas
weiter, das macht mich sehr froh. Hier sollen Menschen herkommen und sie sollen
berührt werden. Denn es gab einen Portugiesen, der zufällig hier aus diesem Ort
kam, damals war es ja ein kleines Dorf, und der hat sich mutig den Gesetzen
entgegengestellt und dafür immense Opfer gebracht. Das ist, so meine ich, das
Ziel und die Intention dieses Hauses."
Aristides de Sousa Mendes wurde 1885 in Cabanas de
Viriato in eine katholische Aristokraten-Familie geboren. Er studierte
Rechtswissenschaften, heiratete seine Cousine Angelina, mit der er im Laufe der
Ehe 14 Kinder bekommen sollte und trat bald seinen Dienst als Diplomat an,
wurde Konsul zweiter Klasse in Britisch-Guayana und ging ein Jahr darauf nach Sansibar.
Später war er Konsul in San Francisco und Brasilien, 1926 kehrte er nach
Portugal zurück. 1929 wurde er Generalkonsul in Antwerpen in Belgien und
wechselte 1938 nach Frankreich ans Konsulat von Bordeaux.
Die politische Situation in Europa war damals
bereits mehr als angespannt - 1938 kam es zum
Anschluss Österreichs, zur Reichsprogromnacht, zu ersten Vertreibungen
der jüdischen Bevölkerung. Die Historikerin Irene Pimentel aus Lissabon hat
sich mit der Rolle Portugals vor dem und während des Zweiten Weltkrieges
beschäftigt:
"Rundherum
schlossen alle Länder ihre Grenzen und Portugal unterschied sich da nicht
besonders von den anderen. Ich bin der Meinung, Portugal tat einfach das, was
die anderen taten. Es gab ja dieses Gesetz für die limitierte Einreise nach
Schweden, das Portugal im Jahr 1938 praktisch kopierte. Und damals, so glaube
ich, sprach man erstmals das so genannte Judenproblem an. Das heißt: Auch wenn
es keinen Antisemitismus in der Ideologie Salazars gab - und ich glaube, dass
es keinen gab - wusste man natürlich dennoch genau, dass die Menschen, die auf
der Flucht waren, größtenteils Juden waren. Und das nutzten natürlich auch Hitler
und den Nationalsozialisten, weil sie wussten, dass niemand diesen Menschen
helfen oder ihnen Zuflucht gewähren würde."![]() |
Fundação Aristides de Sousa Mendes
|
Wenige Monate später, am 1. September
1939 begann mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Europa brach
auseinander. Doch wo stand Portugal? Gleich zu Beginn erklärte es sich neutral,
so konnte es die gegensätzlichen Interessen der Krieg führenden Parteien zum
eigenen Vorteil nutzen. Das portugiesische Regime lieferte Güter wie Wolfram,
Schuhe oder Öle an beide Seiten und ließ die Propaganda sowohl der Achsenmächte
als auch der Alliierten zu. Diktator António de Oliveira Salazar regierte
autoritär, schränkte die Meinungsfreiheit in seinem Land massiv ein und ließ
Andersdenkende durch die politische Polizei verfolgen, eine Mobilisierung der
Massen oder einen Personenkult nach dem Vorbild Hitlers lehnte er jedoch strikt
ab. Und in der Flüchtlingsfrage stellte sich Portugal als reines Transitland
dar, erläutert der in Lissabon lebende Historiker Ansgar Schaefer:
"Die Idee von Portugal war immer, sich
möglichst versteckt zu halten, wollen wir es mal so sehen. Dass also die
Weltöffentlichkeit gar nichts von dem Land bemerkt, so dass es gar nicht dazu
kommen kann, dass die Leute, also die Flüchtlinge, sich entscheiden könnten,
nach Portugal zu gehen."
Und die Menschen, die sich doch für
Portugal als Exilland entschieden, sollten nur kurz im Land bleiben und schnell
wieder verschwinden:
"Natürlich ist in der aktuellen
Situation damals, also im September 39, jedes Land, das auch nur einen
kurzfristigen Aufenthalt gewähren würde, ein Art Paradies. Man musste also
versuchen, aus der Hölle zu entkommen, und dann ist es natürlich so gewesen, dass
gerade wegen dieser Situation - dass Portugal selbst als Transitland attraktiv
war und eine temporäre Zuflucht bieten würde -, dass da der portugiesische
Staat natürlich wiederum reagierte und dadurch, dass er die
Einreisebeschränkungen auf die Leute reduzierte, die erstens die Garantie
gaben, dass sie ausreisen konnten und wenige Monate später tatsächlich auch im
Besitz einer Schiffspassage sein mussten, dadurch war natürlich der Kreis der
in Frage kommenden Personen minimal."
![]() |
Fundação Aristides de Sousa Mendes
|
Außerdem stellte Diktator Salazar im so
genannten Circular Catorze, dem 14. Rundschreiben an alle Diplomaten, klar,
dass vertriebenen Juden keine Visa mehr ausgestellt werden durften. In Bordeaux
widersetzte sich Generalkonsul Aristides de Sousa Mendes bereits 1939 diesem
Befehl
und stellte dem jüdischen Professor Arnold Wiznitzer aus Wien ein Visum aus, die Bitte um Autorisierung telegrafierte Sousa Mendes erst
danach nach Lissabon. Der negative Entscheid kam zu spät, die Wiznitzers hatten
die Grenze bereits überschritten, erzählt Werner Hanak vom Jüdischen
Museum in Wien:
"Das ist, soviel ich weiß, der erste
Fall, der sozusagen bis nach Lissabon gegangen ist, wo er dann auch vom
Ministerium verwarnt wurde, eben solche Visa auszugeben. Er hat sich dann gerechtfertigt,
er hat gesagt: I considered it a duty of elementary humanity to prevent such
a calamity. Es ist sehr berührend, wie er da einfach sehr menschlich
argumentiert. Das war für ihn selbstverständlich, das so zu machen."
Am 14. Juni 1940 kapituliert Paris. In Bordeaux verschärft sich die Flüchtlingssituation.
Täglich kommen Hunderte Menschen in die Stadt, alle wollen weg aus Frankreich.
Alle wollen ein Visum für Portugal. Friedrich Torberg, der Österreich 1938 über
Zürich und Paris verlassen hatte und in Bordeaux auf ein Visum wartete,
schreibt später in seinem Buch "Eine tolle, tolle Zeit":
Zitat: Dieses Bordeaux war nicht der
erschütterndste, aber unbedingt der unheimlichste Anblick und Eindruck, von
allen, die ich hatte. Die Bevölkerung hatte sich mindestens vervierfacht, die
Fahrbahnen waren von Autos, die Trottoirs von Menschen verstopft, Leute
kampierten und schliefen auf offener Straße - und trotzdem wickelte sich ein
überdimensional geregeltes Leben ab.
Generalkonsul Aristides de Sousa Mendes
ist beim Anblick der Menschenmassen vor den Türen des Konsulats hin und
hergerissen. Wem sollte er gehorchen? Dem Staat oder seinem Gewissen? Er war ja
schon zuvor zurechtgewiesen worden, und musste mit Konsequenzen rechnen. Der
Enkelsohn António de Sousa Mendes erzählt:
"Es
gibt keine höhere Autorität als die Gottes. Gott steht immer an höchster
Stelle. Er musste also auf sein Gewissen hören. Und daher entschied er sich
drei Tage nach dem Einmarsch in Paris, dem Diktator nicht zu gehorchen."
Am 17. Juni öffnet Aristides de Sousa
Mendes die Türen des Konsulats und gibt seinen Mitarbeitern die Order, ab
sofort jedem ein Visum auszustellen, der eines benötigte:
"Es
waren Visa für alle, vollkommen unabhängig von Abstammung, Nationalität oder
Religion. Er hatte allen die Türe aufgemacht."
Der Konsul berät sich mit seiner Frau
Angelina, hat ihre volle Unterstützung. Dann arbeitet er gemeinsam mit zwei
seiner Söhne, einem befreundeten Rabbi und allen Mitarbeitern unermüdlich:
"Füllfeder,
Stempel und Papier - mehr brauchte er nicht. Damals gab es ja Leute, die hatten
keinen Pass. Wer denkt schon an seinen Pass, wenn er aus seinem Haus fliehen
muss."
Für eine genaue Katalogisierung ist
keine Zeit:
"Ab
dem 17. Juni wurden ja die meisten Visa ausgestellt. Und ab diesem Zeitpunkt
waren die Visa kostenlos. Und das sage nicht nur ich, das ist durch andere
Quellen belegt, sie waren kostenlos. Dieser Aspekt ist sehr wichtig."
Aristides de Sousa Mendes weiß, dass die
Zeit knapp ist, bald wird Lissabon von seinen Aktivitäten erfahren und ihn
abberufen. Er isst kaum, schläft nur wenige Stunden. Er fährt von Bordeaux nach
Bayonne und stellt auch dort Visa aus. Weiter geht es an die Grenze. "Mein
Ziel war es, alle zu retten", sollte er später in seinem
Verteidigungsschreiben anmerken. In seinem eigenen Auto, das für seine große
Familie zu einem Kleinbus ausgebaut worden war, bringt er Flüchtlinge über die
Grenze, erzählt António de Sousa Mendes:
"Er
hatte einen Text auf Französisch aufgesetzt, in dem es hießt: die
portugiesischen Behörden bitten die spanischen Behörden den Überbringer dieses
Papiers, dieses Dokuments, passieren zu lassen, weil es sich um einen
Kriegsflüchtling handelt, der sich auf dem Weg nach Portugal befindet."
![]() |
copyright:
Fundação Aristides de Sousa Mendes
|
Am 26. Juni ist alles vorbei. Frankreich
hat den Waffenstillstand unterzeichnet, die Deutschen sind in Bordeaux. Der
Großteil der Flüchtlinge hat es noch außer Landes geschafft. Am 4. Juli wird
Aristides de Sousa Mendes nach Lissabon beordert und wegen vorsätzlichen
Ungehorsams und Amtsverletzung angeklagt. Ein langer Rechtsstreit um Sousa
Mendes beginnt, sagt der Historiker Ansgar Schaefer:
"Sowohl seitens der Anklage als auch
seitens der Verteidigung hatte man versucht darauf zu plädieren, dass Sousa
Mendes in dem Moment, in dem er diese Visa erteilte, tatsächlich geistig nicht
zurechnungsfähig war. Und Sousa Mendes selbst hat gesagt, dass er aus rein humanitären
Gründen gehandelt hat, die sich über alle Gründe stellen, die man mit
Staatsräson oder mit Anweisungen oder mit Befehlen vergleichen könnte. Er hat
sich total abgesetzt von dem, was alle anderen sagten. Er selbst hat wirklich
seine Position angenommen und ist bewusst das Risiko eingegangen, dass ihm
tatsächlich das passieren würde, was ihm dann ja auch passiert ist. Meines
Erachtens ist das ein entscheidender Schritt hier. Selbst noch einmal zu
erklären: es gibt einfach Dinge, die über alles andere gestellt werden müssen."
Und seine Kollegin Irene Pimentel fügt
hinzu:
"Seine
Argumente sind sehr interessant, denn einerseits stützt er sich auf die
portugiesische Verfassung von 1933, die besagt, dass niemand aufgrund seiner Abstammung,
Religion oder Geschlecht verfolgt werden dürfe. Und andererseits bezieht er
sich auf die Inquisition und die Verantwortung Portugals in Bezug auf die
damalige Verfolgung der Juden. Sousa Mendes war der Meinung - und er ist nicht
der einzige Diplomat, der das sagte, aber er sagte es nicht nur, sondern tat es
-, nämlich, dass nun der Zeitpunkt gekommen wäre und Portugal wiedergutmachen
könnte, was damals im 16. und 17. Jahrhundert passiert war, also die
erzwungenen Konversionen, die Vertreibung und so weiter."
Doch Diktator Salazar bleibt hart, kein
einziges Mal reagiert er auf die Ansuchen Sousa Mendes um ein persönliches
Gespräch. Der ungehorsame Konsul wird in den vorzeitigen Ruhestand geschickt,
das stark gekürzte Gehalt kommt monatelang unregelmäßig oder gar nicht. Die
Familie Sousa Mendes wird in Portugal geächtet. Fast alle Kinder verlassen das
Land, suchen ihr Glück in Belgien oder den USA. Teile des Familienbesitzes
werden verkauft, das Haus in Cabanas verfällt. Nach Kriegsende brüstet sich Diktator
Salazar damit, alles für die Kriegsflüchtlinge getan zu haben, Sousa Mendes
erwähnt er nicht. Enkelsohn António, Mitglied der portugiesischen Sousa Mendes
Stiftung meint:
"Wer
die Apokalypse gesehen hat, für den relativiert sich alles andere."
Heute ist Aristides de Sousa Mendes in
Portugal bekannt. Doch er ist nicht unumstritten: Zu lange lebte das Land unter
einer Diktatur, absoluter Gehorsam war und ist für viele noch immer
selbstverständlich. Die Historikerin Irene Pimentel und ihr Kollege Ansgar
Schaefer setzen sich dafür ein, dass Sousa Mendes Handlungen anerkannt werden:
"Historiker
dürfen nicht werten, aber ich gehe oft in Schulen und da sage ich dann
Folgendes: Ich mag das Wort Held nicht, aber das Wort ist nun einmal da, um
benutzt zu werden. Und die Jugendlichen verstehen, was ich damit sagen will. Er
ist einer der Helden Portugals, ein ganz normaler Mann, der im richtigen Moment
zwischen Gut und Böse entscheiden musste, diese grundlegende Frage also, und
der das Gute wählte und Menschen rettete. Diese Eigenschaft ist es, die uns
interessiert. Er ist ein Vorbild: Unter bestimmten schwierigen Umständen, die
sich vielleicht wiederholen, sollten wir uns an ihn erinnern und wie er
handeln. Manchmal müssen wir uns widersetzen."
"Die zentrale Thematik ist die
interessanteste hier: Die Entscheidung zwischen Gewissen und Gehorsam. Und dass
man eben in ganz gewissen Situationen, in Extremsituationen, das eigene
Gewissen wählt und nicht den Gehorsam, der viel leichter ist. Es gibt nichts
Leichteres als sich nachher zu verstecken hinter Befehlen. Und das ist
natürlich, meines Erachtens, eine Entscheidung, die ihn tatsächlich aus dem
nationalen Kontext heraushebt und praktisch zu einer universalen Figur, einer
universalen Berühmtheit hervorheben müsste. Und er hat das aus eigener und
individueller Überzeugung und Entscheidung getan. Und deshalb setzt er
eigentlich ein Exempel, ein Exempel, das eigentlich überragend ist, für alle Zeiten,
würde ich sagen."
Der Großteil der Menschen, die von
Aristides de Sousa Mendes gerettet wurden, waren politisch Vertriebene und
Juden. Sie kamen aus Belgien, Polen und viele aus Österreich. Zum Beispiel die
Familie Zwiebel, Herbert und Anna Blaukopf, Hermann Klopper oder Jolanda und
Eugenie Zahlmann. Es finden sich auch einige prominente Namen: Der
Schriftsteller Friedrich Torberg bekam das Visum lautend auf seinen Taufnamen
Friedrich Kantor am 19. Juni 1940. Gemeinsam mit dem Drehbuchautor Otto Eisler
schaffte er es bis Lissabon und von dort in die USA. Die von den
Nationalsozialisten per Steckbrief gesuchte ehemalige österreichische
Kaiserfamilie Habsburg konnte mit den von Sousa Mendes ausgestellten Visa
Frankreich verlassen. Der 28-jährige Kronprinz Otto reiste unter dem Namen Otto
Bar, bei ihm waren alle sieben Geschwister, seine Mutter Zita von
Bourbon-Parma, deren Mutter Antónia von Braganca und der befreundete Graf
Heinrich Degenfeld. Noch im Juli 1940 reisten sie weiter in die USA. In einem Dankesschreiben
aus dem Jahr 1968 an Joana Mendes, eine Tochter des Konsuls, heißt es:
Zitat: [...]Otto of Habsburg will
forever be deeply grateful to your father for the noble way in which he had
also helped, in this dangerous moment, him and his entire family by giving them
immediately the necessary visas for Portugal [...].
Auch der spanische Künstler Salvador Dalí und seine
Frau Gala, die Spanien wegen des Bürgerkriegs 1936 verlassen hatten, bekamen am
20. Juni 1940 Visa für Portugal und reisten von dort in die Vereinigten
Staaten.
Für wenige Monate wurde Lissabon zum Zentrum für
Flüchtlinge aus ganz Europa. Sie warteten auf einen Platz auf einem der
Schiffe, wollten weiter nach Brasilien, Mexiko oder in die USA:
"Der Höhepunkt ist ja praktisch das Jahr
1940. Wir sprechen also doch im Prinzip vor allen Dingen von drei Monaten,
vielleicht August, September, Oktober, so in der Art. Da haben wir tatsächlich
diese Tausenden von Menschen hier. Das waren nicht nur jüdischen Flüchtlinge,
es waren natürlich auch Leute, die kamen einfach, es gab Amerikaner, es gab
Engländer, es gab Franzosen, die keine Juden waren. Aber wie gesagt, wir
sprechen von drei Monaten in nahezu 30 Jahren."
Sagt der Historiker Ansgar Schaefer.
Fundação Aristides de Sousa Mendes
|
Wie viele von diesen Menschen tatsächlich von
Aristides de Sousa Mendes gerettet wurden, ist umstritten, Historiker sprechen
von bis zu 30.000, davon 10.000 Juden, sagt Werner Hanak vom Jüdischen Museum
in Wien:
"Glücklicherweise hat er ja sozusagen
die Pässe gestempelt und die Visas (sic!) gestempelt und nicht darüber Buch
geführt und die Zeit damit verschwendet Aufzeichnungen zu machen, wer da jetzt
was gegeben hat, sondern sozusagen Erste Hilfe geleistet, so dass die Leute so
schnell wie möglich weiter können. Deswegen ist da die Aktenlage schwierig."
Aristides de Sousa Mendes starb 1954 nach drei
Schlaganfällen in Lissabon. Sein Tod wurde in Portugal zunächst ignoriert, seit
den 1960er Jahren gilt er als einer der Gerechten unter den Völkern von Yad
Vashem, der Gedenkstätte in Jerusalem, die an die nationalsozialistische
Judenvernichtung erinnert und sie wissenschaftlich dokumentiert. Ende der
1980er Jahre wurde Sousa Mendes von der Regierung unter Präsident Mário Soares
rehabilitiert. In Wien erinnert die Aristides de
Sousa Mendes-Promenade bei der UNO-City an den Portugiesen. Und neben
der portugiesischen kümmert sich auch eine US-amerikanische Stiftung um das
Andenken, viele Angehörige von Geretteten wurden aufgespürt. Die Geschichten
dieser Menschen sind auch die Geschichten von Aristides de Sousa Mendes, sagt
Werner Hanak:
"Diese Geschichten leben jetzt auf
der Welt weiter, sagen wir es einmal so. Und deswegen glaube ich auch, dass
sobald hier mehr über Sousa Mendes gemacht wird und es größere Anlaufstellen
gibt, die Geschichten sich auch mehren werden. Das wird sozusagen eine
Kommunikationszentrale, und Orte wie ein Haus, in dem er gelebt hat, sind da
auch sinnvoll."
Fundação Aristides de Sousa Mendes
|
In Cabanas de Viriato, in jenem Ort, der der Familie
stets ein Zufluchtsort war, und wo das Anwesen derzeit renoviert wird, grenzt
der Friedhof gleich an das Grundstück. Ich gehe den kurzen Weg mit Luis Fidalgo
von der Stiftung. Am Grabmal der Familie Sousa Mendes, einem schlichten
Mausoleum aus hellem Stein, endet der Spaziergang durch die Vergangenheit:
"Hier,
in diesem Sarg liegt Aristides, da in der Mitte. Darunter liegt José Sousa
Mendes, das war sein Vater. Die Juden legen immer ein Steinchen auf den Sarg,
zu Ehren des Verstorbenen. Sehen Sie dort die Steinchen? Also, das war´s, und
das gehört ja dazu, das ist ein Teil des Weges, ein Teil der Geschichte, ein
Teil des Lebens. Ja, hier endet alles."
Buchtipps:
Fralon, José-Alain: Der Gerechte von Bordeaux (Deutsch von Manfred Flügge). Urachhaus, 2011
Louro, Sónia: O Cônsul Desobediente (portugiesisch). Saída da Emergência, 2013