In diesem Buch über das Buch kann man viel über das Lesen lesen, klingt eigenartig, ist aber – je weiter man blättert – überaus erhellend. Was Bettina Stangneth hier vorlegt, ist ein schwieriger Text, der allerdings gar nicht so kompliziert geschrieben ist. Wer zunächst nur Bahnhof versteht, dem sei gesagt, das ist kein Problem, das passiert jedem einmal. Ein paar Seiten weiter klart sich alles wieder auf. Für manches braucht es längere Absätze oder ganze Kapitel, manches ist rasch erledigt. Und viele der Sätze, die die Autorin hier formuliert, sind so kurz und prägnant und schön, dass man sie befreundeten Leseratten am liebsten ins Poesiealbum schreiben würde:
Zitat: Manchmal ist Lesen wie Fliegen.
Oder:
Zitat: Zu der Welt, von der wir ein Teil sind, gehören Bücher.
Oder:
Zitat: Wer liest, erlebt Denken – seines und anderes.
Also hereinspaziert in die Welt der Magie, die es zwischen zwei Buchdeckeln – so sagt man – zu entdecken gilt. Statt eines Inhaltsverzeichnisses findet sich in diesem Buch daher auch ein Besuchsprogramm. Vom Empfang, in dem die Frage gestellt wird, ob denn die Gastgeberin, also die Autorin Bettina Stangneth, sich selbst auch zu den titelgebenden Dilettanten zählt, kommt man von einer Bibliothek über einen Baumarkt bis in die verborgene Abteilung. Was das wohl sein mag? Optional kann ein Medienlabor besucht werden, danach geht es ins Clubhaus und schließlich zum Abendvortrag mit dem schlichten Titel „Über die Kunst, mit Büchern zu leben, ohne die Welt zu verlieren“.
Zitat: Sie ahnen es? Das hier ist kein Buch über Menschen, die nur wie Buchleser aussehen wollen. Sonst wäre es ja auch kein Buch über Sie und mich. Die Frage, die uns beschäftigt, ist einfach nur, was man, also was ich, Sie und der Rest der Welt davon haben könnten, dass Menschen Bücher lesen, auch wenn sie vielleicht gar nicht so recht wissen, was sie da tun.
Der Rundgang durch dieses fabelhafte Buch hat eigentlich keinen Anfang und kein Ende, Sie können es an einer beliebigen Stelle beginnen, hin und her blättern, zwischendurch in die Ferne blicken und eigene Gedanken zulassen. Angesprochen auf die fast barocke Umständlichkeit der Texte, meinte die Autorin in einem Gespräch auf Deutschlandfunk, jedes Buch sei ein Spiel und ihres sei eben einfach die Anleitung dafür.
Zitat: Will ich etwas lesen können? Oder muss ich es lesen? Wer Bücher erst kennenlernt, wenn man ihnen nicht mehr ausweichen darf, muss erst herausfinden, dass Lesen mehr als die nächste Gelegenheit bedeutet, sich zu blamieren. Was natürlich auch für andere Dinge in der Welt wie Fußbälle und Blockflöten gilt.
Wer dieses Buch liest, wird persönlich an der Hand genommen, es fühlt sich fast an, als säße man in einer gemütlichen Leseecke, vertieft in ein Gespräch mit der Autorin. Sie stellt viele Fragen, beantwortet nicht alle oder gibt Antworten auf Fragen, die man sich selbst tatsächlich gerade während der Lektüre gestellt hat. Behandelt werden viele Aspekte, die mit dem Lesen zu tun haben: Wie wähle ich aus? Nach welchen Kriterien? Was soll ich tun, wenn ich etwas nicht verstehe? Und welche Werkzeuge finde ich im Bücher-Baumarkt, die mir beim Verständnis von schwieriger Lektüre behilflich sind? Immanuel Kant, den die Autorin wie vermutlich keine andere auf Herz und Nieren beforscht hat, darf auch immer mal wieder etwas Gescheites beisteuern.
Zitat: Kant fragte kaum ohne Grund: „Was dürfen wir hoffen?“ und nicht „Was sollen wir hoffen?“. Mancher weiß offenbar trotzdem genau, wie das geht. Der Mensch – seit Jahrhunderten soll er sich zum Besseren wandeln, am besten gleich noch im Seelengrunde ändern. Vorschläge zu dieser wunderbaren Transformation finden Sie immerhin ohne Schwierigkeiten bei dem Buchhändler Ihres Vertrauens. Sie müssen einfach nur lesen. Aber richtig!
Wie das wirklich geht, weiß man auch nach der Lektüre von Bettina Stangneths Club der Dilettanten nicht wirklich. Aber man gehört gerne dazu, zu diesem Club, schlechte Erfahrungen werden beiseitegeschoben, Ängste, die einem strenge Deutschprofessorinnen eingepflanzt haben, werden überwunden. Egal ob e-Book oder gebundene Ausgabe – wer liest, kann sich unendlich viele Welten zu eigen machen – und das müssen nicht einmal die Welten sein, die die Person, die das Buch geschrieben hat, vor Augen hatte. Wie herrlich ist das und wie einfach! In den Worten der Autorin: Kommen Sie gut weiter durch die Welt!
Info: Bettina Stangneth: Club der Dilettanten. Warum niemand Bücher wirklich versteht, aber trotzdem jeder beim Lesen lernt (Rowohlt 2025)