Das Ende des Neusiedler Sees?

Der Neusiedler See, das „Meer der Wiener“. Tummelplatz für WassersportlerInnen, beliebt bei OrnithologInnen, attraktiv für RadtouristInnen, bekannt für seinen Wein. Doch seit geraumer Zeit machen sich viele Menschen große Sorgen um den See, der Wasserstand ist extrem niedrig. Das hat Auswirkungen auf weite Teile des Burgenlands. Im Weißbuch Das Ende des Neusiedler Sees? haben die HerausgeberInnen Christian Janisch, Alois Lang und Bibi Watzek zahlreiche Beiträge versammelt, die sich mit den Herausforderungen, Perspektiven und Lösungen für diese Region in der Klimakrise beschäftigen.

Viele Sonnenstunden, heißer Südwind, der aus der ungarischen Puszta herüberweht, Radlerinnen und Radler, die den See umrunden und von Illmitz nach Mörbisch mit der Radfähre übersetzen, um später noch in Rust oder Purbach beim Heurigen einzukehren. So kennen und lieben viele Menschen das Burgenland rund um den Neusiedler See. Doch immer öfter sind ganz andere Bilder und Videos in den Sozialen Medien zu sehen: der trockene Zicksee, tote Fische, Schlamm an den Ufern des Neusiedler Sees. Die Auswirkungen des Klimawandels sind in dieser Region nicht mehr zu übersehen. Wenn nicht rasch Gegenmaßnahmen ergriffen werden, schaue es schlecht aus, schreibt der Meteorologe Markus Wadsak im Vorwort zu diesem Buch:

Zitat: Die Klimazone würde bis 2050 rund 1.000 Kilometer weit in den Norden wandern, was eine komplette Veränderung unserer Vegetation und Landschaft bedeuten würde. Veränderungen, auf die wir derzeit noch überhaupt nicht vorbereitet sind.

In vier Teilen, untergliedert in zahlreiche Kapitel, kommen anschließend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Österreich und Ungarn zu Wort. Zunächst geht es darum, das Gebiet rund um den Neusiedler See geologisch und historisch zu verstehen. Wie hat sich der See im Laufe der Jahrhunderte verändert, was sind die Eigenschaften eines Steppensees, warum ist das Wasser trüb, und was bedeutet der Salzgehalt des Sees für seine Bewohner? 

Zitat: Für die Lebensgemeinschaften, aber auch die Wasserqualität des Sees sind der Salzgehalt und die chemische Zusammensetzung von großer Bedeutung. Die Tier- und Pflanzenarten des Neusiedler Sees müssen eine gewisse Salztoleranz aufweisen, um mit den Bedingungen des Sees zurechtzukommen.

Erklärt wird auch die Entstehung des Schilfgürtels, heute fundamental wichtige Nist- und Heimstätte zahlreicher Vögel, Insekten und Kriechtiere – doch gilt es, das Wachstum durch effizientes Schilfmanagement zu verlangsamen. Weiden für Graurinder können helfen, dass sich der Schilfgürtel nicht weiter ausbreitet. Dämme würden das Versickern des Seewassers verhindern, das bei starkem Wind in den Schilfgürtel gedrückt wird und nicht wieder zurück in die Seewanne fließt. 

Zweites wichtiges Thema ist der Grundwasserspiegel, der für Weinbau und Landwirtschaft vor allem im Seewinkel essenziell ist. Hier gibt es besonders viel Konfliktpotenzial, Stichwort künstliche Bewässerung.

Zitat: Einen unmittelbaren Einfluss auf die Effizienz der Wassernutzung haben die Art und der Zeitpunkt der Bewässerung. Für Überkopf-Bewässerungsanlagen, mit denen Wasser über die Pflanzen ausgesprüht wird, liegt der Gesamtwirkungsgrad bei rund 75 Prozent. Verluste ergeben sich vor allem an windigen und heißen Sommertagen untertags.

Auch hier müsse rasch gegengesteuert werden, möglich wären Windschutzmaßnahmen wie Hecken oder Bäume, der Anbau von trockentoleranten Pflanzen wie Kichererbsen, Anis, Mungobohnen und Erdnüssen. Man müsse die „Landwirtschaft in Zeiten der Klimaerwärmung neu denken“, heißt es im entsprechenden Kapitel.

Insgesamt wird in diesem hochinteressanten und akribisch recherchierten Buch die gesamte Region rund um den Neusiedler See, die Kulturlandschaft im Nordburgenland, mit ihren vielfältigen Ausformungen diskutiert. Herausgeber Christian Janisch nennt das Buch eine Zusammenfassung von Basiswissen, man wolle Themen anreißen und zur Diskussion stellen. Zu eher ausgeklammerten Themen wie Tourismus oder Wassersport sollen bald weitere Publikationen folgen. 

Ein komplettes Austrocknen des Neusiedler Sees halten die Autorinnen und Autoren generell für eher unwahrscheinlich, plausibel sei aber – wenn keine intensiven Regenereignisse stattfinden – ein das Szenario eines Sees, dessen Wasserhöhe nur noch 30 bis 40 Zentimeter beträgt.

Zitat: Das bedeutet, dass der See als landschaftsgebendes Element nicht verschwinden würde und die Ästhetik des Sees mit einer durchgängigen Wasserfläche erhalten bliebe. Und dass noch genügend Wasser vorhanden wäre, um die wichtige Funktion für das Mikroklima der Umgebung zu leisten. Dass aber zugleich zu wenig Wasser vorhanden ist, um den Bade-, Boots- und Fährbetrieb aufrechtzuerhalten.

Auch wenn Bilder des schlammigen Seeufers und der ausgetrockneten Salzlacken im Seewinkel dystopisch anmuten, es ist noch nicht zu spät, die Region rund um den Neusiedler See für die Zukunft zu bewahren. Die Herausforderungen sind groß, Ideen und Lösungsansätze gibt es viele. Sie müssten nur umgesetzt werden. Besser heute als morgen.

Info: Christian Janisch, Alois Lang, Bibi Watzek (Hg.) Das Ende des Neusiedler Sees? Eine Region in der Klimakrise. (Residenz Verlag 2023)