Das Buch des Regenwurms.

Der Regenwurm. Ein kleines, unauffälliges Tier, das bei vielen Menschen Ekel auslöst und andere zu Mutproben herausfordert. Haben Sie als Kind einen Regenwurm geschluckt? Das ist übrigens keine gute Idee, denn im Wurm können sich Parasiten aufhalten, die den Mutigen krank machen. Diese und viele weitere Informationen über den ganz und gar nicht unwichtigen Regenwurm hat die englische Autorin Sally Coulthard für Das Buch des Regenwurms. Eine Entdeckungsreise durch unsere Erde zusammengefasst.

Es gibt ihn schon seit Millionen von Jahren, er ist zwischen einem Zentimeter und drei Metern lang, weltweit gibt es mindestens 3.000 Arten, er gräbt horizontale Tunnelsysteme oder bohrt tiefe vertikale Röhren, er hat keine Augen und atmet durch die Haut und er zeigt sich in braun, grün, mit roten Streifen und sogar violett. Wer ihn in seinem Garten entdeckt, sollte sich freuen – denn er ist ein Indikator für guten Boden.

Zitat: Als Charles Darwin entscheiden sollte, welches das wichtigste Tier auf Erden sei, plädierte er weder für den Affen aufgrund seiner Intelligenz noch für das Schaf aufgrund seiner Nützlichkeit und auch nicht für das Schnabeltier, weil es so merkwürdig aussieht. Er wählte den scheinbar so unbedeutenden Regenwurm.

Ohne den Regenwurm wäre die Oberfläche unseres Planeten unfruchtbar, das Erdreich wäre verdichtet und trocken. Denn dieses fleißige Tierchen recycelt unermüdlich verrottete Pflanzen und scheidet sie als wertvollen Humus wieder aus und es lockert die Erde, damit Regenwasser versickern kann. Pflanzensamen und Nährstoffe werden in höhere Erdschichten transportiert, wo sie leichter keimen beziehungsweise als Nahrung von anderen Tieren aufgenommen werden können.

Zitat: Regenwürmer gehören ähnlich wie die Bienen zu den sogenannten Schlüsselspezies. Das heißt, sie spielen für unser Ökosystem eine so entscheidende Rolle, dass ohne sie das Überleben der Menschheit infrage gestellt wäre.

Moderne Landwirtschaft tut den Tieren übrigens nicht besonders gut. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln richtet auch bei Regenwürmern Schäden an. Wenn Rückstände von Pflanzen immer gleich entfernt werden, nimmt man den Würmern eine wichtige Nahrungsquelle. Und das Umpflügen mit schweren Maschinen zerstört Tunnelsysteme und befördert die Würmer an die Oberfläche, wo sie austrocknen und verenden. Und je weniger Würmer, desto weniger Nahrung für andere Tiere. Vor allem Jungvögel sind betroffen. Doch nicht nur sie.

Zitat: Auch andere Tiere wie Igel, Füchse, Rotkehlchen, Spitzmäuse, Maulwürfe, Waldmäuse und Dachse finden dann nicht mehr genug Nahrung. So ernährt sich ein Dachs zu 60 Prozent von Regenwürmern, und eine Wanderdrossel fängt bis zu vier Meter Wurm pro Tag.

In vielen kleinen Portionen erfährt die Leserin Wissenswertes über den Erdbewohner, der im Englischen der Einfachheit halber earthworm, also Erdwurm heißt. Das deutsche Wort Regenwurm entwickelte sich aus der im 17. Jahrhundert aufgrund seiner Geschäftigkeit verwendeten Bezeichnung „reger Wurm“. Da der Wurm aber tatsächlich bei Regen massenhaft an die Erdoberfläche kommt, ist wohl daraus der Regenwurm geworden. 

Den kurzen Kapiteln sind meist Fragen vorangestellt, etwa: Wie schnell sind Regenwürmer? Schneller als man denkt. Machen Regenwürmer Geräusche? Ja, allerdings ist es eher ihre Art sich fortzubewegen, die als Geräusch wahrnehmbar ist. Und natürlich: Wie haben Regenwürmer Sex? Hier sei nur so viel verraten, dass Regenwürmer durchaus zärtlich sind und sich viel Zeit füreinander nehmen.

Aber Sally Coulthard weiß auch Kurioses zu berichten. Etwa von Wettbewerben, bei denen die Würmer durch Klopfen auf den Boden aus ihren Behausungen gelockt werden.

Zitat: Den Weltrekord im Hervorlocken von Würmern bei den World Worm Charming Championships hält ein zehnjähriges Mädchen namens Sophie Smith, die es 2009 innerhalb einer halben Stunde auf erstaunliche 567 Exemplare aus drei Quadratmetern brachte.

Liebevoll illustriert und kurzweilig erzählt, gehört dieses Büchlein in jede gut sortierte Gartenbibliothek. Zahlreiche Tipps für Gartenbesitzer runden es ab. Die Autorin rät dazu, stets für Feuchtigkeit im Garten zu sorgen, einen Komposthaufen zu errichten, und sie plädiert für mehr Wildnis im eigenen Garten: Ein ordentlich gemähter Rasen ist für den Regenwurm weit weniger attraktiv als ein bisschen Unordnung in Form von liegengelassenem Laub oder verblühten Pflanzen. Man muss ihn ja nicht schön finden, aber eine für beide Seiten lohnende Freundschaft ist möglich, zwischen Mensch und Wurm.

Info: Sally Coulthard Das Buch des Regenwurms. Eine Entdeckungsreise durch unsere Erde, aus dem Englischen von Andrea Kunstmann (Harper Collins 2022)