Foodmonopoly.


Kontext, 10. Oktober 2014

Die schwedische Journalistin Ann-Helen Meyer von Bremen und der ehemalige Landwirt Gunnar Rundgren waren in den USA, in Indien und Brasilien, in Schweden und den Niederlanden. Sie wollten sehen, ob es dort Voraussetzungen für ökologische und nachhaltige Landwirtschaft gibt, und ob bereits über herzeigbare Projekte und Ergebnisse berichtet werden kann. Im Buch Foodmonopoly – das riskante Spiel mit billigem Essen haben sie viele Antworten auf ihre Fragen gefunden. Ihr Fazit: die Situation der weltweiten Landwirtschaft derzeit ist schlimm – aber nicht hoffnungslos.

Wir leben in einer Zeit des gutgefüllten Kühlschranks. Und fehlt etwas, dann sind es für Städter meist nur ein paar Schritte zum nächsten Lebensmittelgeschäft. Und auch wenn sich so manch einer im Supermarkt am Joghurt-Regal überfordert fühlt, stehen doch von jeder Sorte meist mehr als eine Handvoll Varianten und Hersteller zur Verfügung, im Gegensatz zu früher leben wir heute in einem weltweiten Schlaraffenland. Oder doch nicht? 
Zitat: Als ich ein Teenager war, gab es Fetakäse nur aus Griechenland. Heute gibt es ihn in unzähligen Varianten, doch geschmacklich gibt es nahezu keine Unterschiede, weil so gut wie niemand um den Geschmack konkurriert, sondern nur um den Preis, die Verpackung und das Image. Die große Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten, die Landwirte über Generationen gezüchtet haben, ist auf einige wenige Sorten und Arten zusammengeschmolzen. Mit nur drei Getreidesorten – Weizen, Mais und Reis – werden heute 60 % des weltweiten Kalorienverbrauchs gedeckt. 

Massentierhaltung, Monokultur, Gentechnik, der Einsatz von Pestiziden und das Abholzen von Wäldern – all das wird mit der wachsenden Weltbevölkerung erklärt, die man in Zukunft ernähren müsse. Nachhaltige Produktion und Bioanbau seinen dazu nicht geeignet, sagt die industrielle Landwirtschaft. Viel zu viel Aufwand und viel zu wenig Output. Doch wo bleibt die Qualität, wenn alles nur noch industriell produziert wird, und welchen Preis zahlen wir dafür?

Ein Beispiel aus dem Buch: Brasilien, Bundesstaat Mato Grosso, ein Land geprägt von Monokultur und Rinderzucht. 
Zitat: Heute ist Mato Grosso der größte Soja- und Baumwollproduzent Brasiliens und 14 Prozent der gesamten Fleischproduktion entfallen auf diesen Bundesstaat im Inneren des größten südamerikanischen Landes. Doch Mato Grosso ist auch führend in der Rodung von Wäldern zur Gewinnung neuer Weide- und Ackerflächen. Zwei Fünftel des Waldes und die Hälfte der Savanne sind vor allem in den letzten zwanzig Jahren in Agrarflächen umgewandelt worden. 
Brandrodung und die Vertreibung indigener Stämme sind Schlagworte, die uns in Europa immer wieder erreichen.

Aber es geht auch anders, das zeigt der Betrieb von Luis und Maria Vieira am Rand des Amazonaswaldes. Vor zwanzig Jahren haben sie den kargen und trockenen Nordosten Brasiliens verlassen, ihnen wurde ein Stück Land zugewiesen, sie bekamen Beihilfen und günstige Kredite. Einen Teil ihrer 100 Hektar bewirtschaften sie als Agroforstwirtschaft. Dabei wird in nachwachsender Biomasse und im Boden Kohlenstoff gebunden. Luis und Maria bekommen dafür Ausgleichszahlungen von Verursachern von Kohlenstoffemissionen. In Brasilien unterstützt die halbstaatliche Ölgesellschaft Petrobras diese Projekte.
Zitat: Stolz führt uns Luis durch seine Agroforstwirtschaft, die auf knapp einem Fünftel der 100 Hektar Land betrieben wird. Hier wachsen Kaffeesträucher, Kakaobäume, Bananenstauden, Papaya- und Mangobäume mit Teak, Eukalyptus und anderen Bäumen. Insgesamt 83 verschiedene Arten – eine sagenhafte Vielfalt. Manche der Bäume dienen als Bau- und Brennholz, andere als Nahrungsquelle und wiederum andere helfen, den Nährstoffhaushalt des Bodens zu verbessern. Im Baumschatten gedeihen niedrige Sträucher, Kräuter und Gemüse besser als in offenen Kulturen. 
Für Maria und Luis bedeutet die Agroforstwirtschaft ein Zusatzeinkommen von 90 bis 150 Euro pro Monat. Das durchschnittliche Monatseinkommen eines Brasilianers liegt bei rund 750 Euro.

In ganz anderen Kategorien wird am nächsten Ziel der Autoren gerechnet. Im Ort Juruena, zwei Tagesreisen entfernt, weiden 9.000 weiße Nelore-Rinder. Die Kälber sind die Haupteinnahmequelle der Rinderfarm São Marcelo, ihr Verkaufswert beträgt 1,6 Millionen Euro pro Jahr. 
Zitat: Die Rinder können sich mit ihren Kälbern auf ausgedehnten Weideflächen frei bewegen und werden artgerecht gehalten. Die Landschaft ist ausgesprochen schön, abwechslungsreich, hügelig und fruchtbar. Wir sehen viele Wildtiere und die Papageien kreischen laut. Nur das Wissen darum, dass es sich hier um einen Teil des Amazonasgebiets handelt, trübt unsere Begeisterung und stellt inmitten dieser landschaftlichen Schönheit einen Wermutstropfen dar. 
Auch wenn ein Teil des Waldes auf dem Gebiet der Rinderfarm durch ein Waldgesetz geschützt ist, heißt das nicht, dass nicht weiter gerodet wird. Das Land ist groß, die Politik fern, die Kontrolleure kommen nur selten in diese abgelegenen Winkel und so hält sich nicht jeder strikt an das Gesetz. Außerdem wollen die Züchter die Anzahl der Rinder pro Hektar verdoppeln. Und ist das Land erst einmal gerodet, führt meist kein Weg zurück. Noch gibt es wenige Anreize für Landwirte, ihr Produktionsverhalten zu ändern.

Ähnliche negative Erfahrungen wie in Brasilien machten die Autoren an ihren anderen Reisezielen. Aber es gibt eben auch die positiven Beispiele, und so sind beide überzeugt: Eine nachhaltige und naturverträglichere Landwirtschaft ist möglich. Dazu brauche es aber nicht nur den Mut einzelner Landwirte, sondern auch sinnvolle gesetzliche Bestimmungen, die Politik ist also gefragt. 
Zitat: Die entscheidende Frage lautet nicht, ob wir eine wachsende Weltbevölkerung ernähren können – das können wir -, sondern wie. Und bei diesem Wie geht es einerseits um die eingesetzte Technologie, aber mindestens ebenso sehr um Wirtschaftlichkeit und die sozialen Umstände.

Foodmonopoly ist ein interessantes Buch, mit vielen Facetten und unterschiedlichen Sichtweisen. Es zeigt, wo und wie unser Essen produziert wird. Es verurteilt nicht und ist frei von Ideologie. Und so wirken die im letzten Kapitel vorgestellten Zukunfts-Visionen von ökologischer Landwirtschaft und biologischer Vielfalt zwar ein wenig verträumt, geben aber dennoch Anlass zu Hoffnung.

Ann-Helen Meyer von Bremen & Gunnar Rundgren Foodmonopoly. Das riskante Spiel mit billigem Essen. Aus dem Schwedischen von Nina Hoyer (oekom Verlag, 2014).