Kottan, Kreisky und kein Kabelfernsehen.

Ach, die 1980er Jahre! Wir hörten die Weisheiten von Dschi-Dschei-Wischer, hatten selbstverständlich einen Walkman, waren Champions in Sachen Wunderwürfel, jubelten Franz Klammer zu, wenn er im Farbfernsehen die Pisten hinunterstürmte und schleckten im Sommer Twinni oder Jolly-Eis. Harald Havas, bekannt für seine humoristischen Sachbücher, hat sich diese Zeit für sein neues Buch Kottan, Kreisky und kein Kabelfernsehen genauer angeschaut und lädt zu einem Erinnerungsspaziergang durch Wien. 

Wer dieses Buch durchblättert und ein Kind der 1980er ist, hat das Gefühl, sich in den Fotografien beinahe selbst wiederfinden, so sehr ähneln die Bilder, die Harald Havas in seinem Buch verwendet hat, jenen, die wir damals selbst in unsere Fotoalben geklebt haben. In zwölf Kapiteln begibt sich der Autor auf eine Reise in die Vergangenheit und trifft auf zahllose Vertraute: den Mundl, das Vierteltelefon, das Betthupferl, die Schulmilch. Es sind vor allem die Farben, die uns sofort um 40 Jahre in der Zeit zurückversetzen. Die 1980er waren bunt, sagt Harald Havas: "Ich beziehe das tatsächlich in vieler(lei) Hinsicht auf die Optik, weil gesellschaftlich und inhaltlich bunt waren die 70er Jahre auch schon, und manchmal politisch grau waren die 80er natürlich auch." Und so wird freilich auch über ernste Themen wie den Protest gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf, die Besetzung der Arena und die Proteste in der Hainburger Au berichtet.

Es hat sich viel getan, in dieser Zeit zwischen 1975 und 1985. Harald Havas hat dazu eine interessante These aufgestellt: "Wenn man jemanden aus den 30ern nehmen würde, pflücken würde, und ihn Anfang der 70er Jahre absetzen würde, dann hätte er nicht so viele Probleme, sich zu orientieren. Die Straßenbahnlinien in Wien wären noch dieselben, die Person würde, wenn er telefonieren wollen würde, zu einer Telefonzelle gehen und könnte sie wahrscheinlich bedienen, er würde zu einem Fleischhauer gehen, um sich eine Wurstsemmel zu holen und Ähnliches. Es würde natürlich anders ausschauen, aber im Großen und Ganzen würde er sich zurechtfinden." Doch dann, eben ab Mitte der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre, veränderte sich die Welt – und damit auch Österreich – eklatant. Und zwar in allen Bereichen der Gesellschaft. Es sind Einschnitte, Umwälzungen und Bewegungen, die bis heute nachhallen. Daher – so der Autor – könnte sich jemand, der aus den 1980ern in die Gegenwart verpflanzt würde, ohne gröbere Probleme im Heute zurechtfinden: "Er würde die U-Bahnen finden oder den Eingang zu U-Bahnen, er würde in einen Supermarkt gehen, wenn er eine Wurstsemmel haben möchte, und er würde sich nicht rasend darüber wundern, dass die Leute alle mit einem komischen Gerät in der Hand vor sich hingehen und darauf starren, weil auch in den 80er Jahren war das durchaus üblich, Unterhaltungselektronik der einen oder anderen Art bei sich zu führen oder auch auf der Straße zu benutzen." 

Immer wieder nimmt Harald Havas in seinem Buch auf seine These Bezug. Besonders viel hat sich freilich in den 1980ern im Bereich der audiovisuellen Medien getan, aber auch die Themenbereiche Musik, Politik, Frauen- und Homosexuellenrechte werden besprochen. Dennoch ist es vor allem ein Erinnerungs-Buch. Die 1980er sind ja besonders beliebt, wenn es um Motto- oder Revival-Events geht. Nostalgie ist natürlich erlaubt und erwünscht, man sollte die Zeit aber nicht verklären, meint Harald Havas: "Es ist schon schön, sich daran zurückzuerinnern, beispielsweise dass man sich mit der Oma jeden Samstag den Heiz Conrads im Fernsehen angeschaut hat, aber man darf auch darauf hinweisen, dass der Herr Conrads im persönlichen Umgang kein so besonders netter Mensch war. Und das gilt für viele andere Dinge. Man kann gerne sich an den Dingen erfreuen, aber eine allzu rosarote Brille aufsetzen, ist zumindest bei mir nicht so das Thema."

Neben dem vergnüglichen Sich-Erinnern kann man sich auch ein bisschen fremdschämen, vor allem wenn es um die Mode der 1980er geht. Denn auch wenn Trends alle paar Jahrzehnte wiederkommen, als Kind der 1980er hatte man gehofft, dass zumindest dieses Comeback an uns vorübergehen würde – denken wir nur an neonfarbene Skianzüge, Dauerwellen und andere modische Fehltritte: "Also einige Sachen, die ich damals besessen habe oder getragen habe, würde ich heute auch nicht mehr tragen außerhalb eines Nostalgie-Settings oder sowas. Aber so wirklich ganz, ganz dramatische Dinge habe ich damals, glaub ich, nicht verbrochen. Ich habe sehr gerne in den 70erJahren Latzhosen getragen, aber so wirklich ganz große, ganz große Peinlichkeiten habe ich leider nicht zu bieten."

Wer genau hinschaut, entdeckt den bebrillten Harald Havas auf einigen der Fotografien in diesem bunten Buch. Und doch handelt es sich nicht um eine versteckte Autobiografie des Autors, sondern um eine stimmige und gut gelaunte Biografie einer ganzen Generation.

Info: Harald Havas Kottan, Kreisky und kein Kabelfernsehen. Wiener Alltag um 1980 (Elsengold Verlag 2022)